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Großplastik "Abisag"

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P O Auf runder, unebener Sockelplatte stehende Figur einer jungen Frau. Ein aus der Sockelplatte herauswachsender Weinstock hinterfängt die Unterschenkel als Stütze. Die schlanke, überlängte Figur steht in leichtem Kontrapost; der Kopf neigt sich etwas nach rechts. Der rechte Unterarm ist bis auf Schulterhöre angewinkelt, der linke Arm fällt locker, die Hand ist zur Seite abgewinkelt. Die in überlängten Proportionen ausgeführte Abisag trägt einen modischen Bubikopf und zeichnet sich trotz der nackten Brüste durch eine mädchenhafte, unschuldige Aura aus. Der Ausdruck des sanft Erhabenen korrespondiert mit der ikonografischen Bedeutung der aus dem Alten Testament entliehenen Abisag-Figur. Als junges Mädchen pflegte sie König David in Jerusalem in seinen letzten Lebenswochen, hatte aber keine sexuelle Beziehung mit ihm. Frauenfiguren waren ein bevorzugtes Sujet Wieselthiers. Häufig sind es allegorische Darstellungen - ob aus dem Alten Testament, der antiken Mythologie oder aus Fabelerzählungen. Ebenso häufig weisen sie beachtliche Dimensionen auf, bei denen auch die technische Fertigkeit der Keramikerin unter Beweis gestellt wurde. Auf diesen Aspekt ging ein Artikel in der Zeitschrift „Deutsche Kunst und Dekoration“ ein: „An den lebensgroßen, ja überlebensgroßen Figuren ist es interessant zu sehen, wie mühelos die Künstlerin mit den mächtigen Dimensionen fertig wird, wie leicht sie das Gestaltungsprinzip ihrer Kleinkeramik auf diese Abmessungen zu übertragen weiß. […] Gewiß ist es Spiel, Dekoration - aber der Kernpunkt ist stets ein echt künstlerisches Etwas, dessen Charme sich kein Betrachter entziehen kann.“ Die Zeitschrift „Deutsche Kunst und Dekoration“, die mit dem Untertitel „illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerische Frauen-Arbeiten“ aufgelegt wurde, war eine Art Hauszeitschrift der Wiener Werkstätte, hatte doch der progressive Verleger Alexander Koch aus Darmstadt von Anfang an die Werke der Wiener Werkstätte ins Visier genommen und über sie ausführlich berichtet. Er war prinzipiell nicht abgeneigt, den „Frauen-Arbeiten“ einen großzügigen Raum zur Verfügung zu stellen und würdigte Wieselthier mit zahlreichen Artikeln, Rezensionen und Bilddokumentationen. Die erste Erwähnung erfolgte 1917 als Wieselthier gerade 22 Jahre alt war. 1922 erschien ein längerer Artikel, dessen Autorin Vally Wieselthier selbst war, in dem sie ihre Vorstellungen zur zeitgenössischen Keramikkunst sowie Erklärungen zu ihren Arbeitsprozessen wiedergab. Auch die hier besprochene „Abisag“ wurde in dieser Zeitschrift 1924 abgebildet. Literatur: Joanna Flawia Figiel: Tonangebend. Starke Frauen und ihre Kunst 1918-1945, Karlsruhe 2023, S. 67-78.
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