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Birnkrug: Satirische Darstellung eines Schneiders. Sinnspruch

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P O Der auf der Scheibe gedrehte Birnkrug hat einen konischen Standring. Der Hals erweitert sich zum Rand hin. Der Ausguss wurde vom Dreher mit den Fingern gekniffen. Der Ohrhenkel ist außen stark gewölbt und innen fast flach. Er ist am oberen Ansatz mit dem Gefäßkörper glatt verstrichen. Das untere Ende des Henkels liegt auf der Wandung des Gefäßkörpers auf. Der Dekor ist mit Schwarz gezeichnet und mit den Farben Dunkelblau, Gelb, Ocker, Grün, Manganviolett und Schwarz gemalt. Die Schrift ist in Schwarz aufgetragen. Auf dem Hals und der Schulter des Birnkrugs steht die Inschrift: „Martin Präg. / Maria Rennern. 1827. / Der Schneider winkt mit seiner Scheer, ach wan[n] ich nur vom Geißbock wär.“ Unter dem Ausguss bilden fünf verschiedenfarbige Rocaillebögen eine oben offene Kartusche, die das Bildfeld definiert. Die Darstellung zeigt vor einer Landschaft einen Mann, der auf einem übergroßen Ziegenbock mit langem Fell nach rechts galoppiert. Der Mann trägt einen dunkelblauen Rock, schwarze Hosen und einen übergroßen, schwarzen Zylinder. Mehrere Attribute weisen ihn als Schneider aus: In seiner rechten Hand hält er eine Schere, mit seiner linken Hand schwingt er eine Schneiderelle. Auf seinem Rücken hängt an einem gelben Band ein Bügeleisen. An beiden Seiten der Bildkartusche sind kleine Blumensträuße dargestellt. Der Birnkrug hat eine Randborte in den Farben Ocker und Gelb mit einer in Schwarz aufgezeichneten, zweireihigen Blattranke. Der Henkel ist mit grünen fallenden Blättern dekoriert. 1740 modellierte Johann Joachim Kändler (1706-1775) für die Meißener Porzellanmanufaktur einen karikaturenhaft, auf einem Ziegenbock reitenden Schneider. Ein Exemplar davon verwahrt das Victoria and Albertmuseum, London (Inv.-Nr. C.982-1919). Eine 1817 datierte Kanne aus Irdengut mit der Darstellung eines auf einem Ziegenbock reitenden Schneiders findet sich in der Sammlung des Landesmuseums Zürich (Inv.-Nr. LM 5113). Das Badische Landesmuseum verwahrt einen 1811 entstandenen Durlacher Birnkrug mit der satirischen Darstellung eines Schneiders, der aus dem After eines Ziegenbocks herausgezogen wird (Inv.-Nr. V 3678) sowie drei Durlacher Birnkrüge mit der Darstellungen von Schneider-Werkstätten (Inv.-Nrn. V 3575; V 11003, V 11004). Die Herstellung von Kleidungsstücken war herkömmlich eine Aufgabe der Frauen. Als sich im Mittelalter das Schneiderhandwerk herausbildete, wurden die diesen Beruf ausübenden Männer als „weibisch“ verspottet, da angeblich Männer mit körperlich schwacher Konstitution Schneider waren. Dieses Bild fand in satirischen und spotthaften Schilderungen vielfältigen Ausdruck. (Allerdings berichten die Brüder Grimm im 19. Jahrhundert vom „Tapferen Schneiderlein“.) Neben seinen körperlichen Schwächen galt der Schneider als arm. Die Redensart „aus dem Schneider sein“ meint u.a. aus den schlimmsten Geldverlegenheit und Schulden heraus sein. Ein bäuerlicher Nebenerwerb mag deshalb für viele Schneider notwendig gewesen sein. Die Haltung von Ziegen, die genügsam sind, aber Milch und Fleisch liefern, war dafür typisch. Dies mag ein Grund sein, warum schon seit Anfang des 15. Jahrhunderts der Schneider in Handwerkerliedern und in spotthaften Darstellungen mit der Ziege in enge Verbindung gebracht wurde. Ein anderer Grund mag die satirische Wiederaufnahme des Begriffs „Schneiderbock“ sein, den Jacob und Wilhelm Grimm in ihrem „Deutschen Wörterbuch“ als „eine art gestell, auf dem die Schneider sitzen“ beschreiben. Johann Jacob Louis (um 1703-1776) zeigt in einer um 1762-1772 für die Porzellanmanufaktur Ludwigsburg geschaffene Gruppe „Schneider Satire“ einen auf einem Ziegenbock reitenden Schneider sowie eine daneben auf einem Felsen sitzende Frau, unter deren linkem Bein ein niedriger, gepolsterter Hocker erscheint, bei dem es sich wohl um einen „Schneiderbock“ handelt. Literatur: Durlacher Fayencen 1723-1847 ; Ausstellungskatalog des Badischen Landesmuseums Karlsruhe ; Karlsruhe 1975 ; S. 408, Nr. 469, Abb. - Rosemarie Stratmann-Döhle
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